Zusammen mit dem Fortschrittsbericht wird Erweiterungskommissar Olli Rehn in dieser Woche einen Fahrplan für den Beitritt Kroatiens vorlegen. Danach will Brüssel die recht weit gediehenen Beitrittsverhandlungen mit Zagreb bis spätestens Ende nächsten Jahres zügig abschließen, so dass die Mitgliedschaft frühestens Ende 2010 erteilt werden könnte.
"Drei Jahre nach Beginn der Verhandlungen hat Kroatien gute Fortschritte gemacht", heißt es im Entwurf des Fortschrittsberichts, der dieser Zeitung vorliegt. Derzeit seien 21 von 35 Verhandlungskapiteln geöffnet, vier sind abgehakt. Defizite werden den Kroaten auf den kritischen Feldern Justizreform, Korruptionsbekämpfung, Minderheitenrechte und Kriegsverbrecherprozesse attestiert. Auch Staatshilfen für die Werftindustrie sind Brüssel ein Dorn im Auge.
Parallel zu den Verhandlungen ist ein Streit entbrannt, ob Zagreb auch ohne gültigen Lissabon-Vertrag die EU-Tür geöffnet werden darf. Seit dem "Nein" der Iren liegt der Reformvertrag auf Eis. Wie aus Diplomatenkreisen verlautet, halten Länder wie Frankreich, die Niederlande und Deutschland wenig davon, Kroatien ohne "Lissabon" verbindliche Terminzusagen zu machen. Für den EU-Europaabgeordneten und Außenexperten Elmar Brok (CDU) eignet sich der Kroatien-Beitritt deshalb durchaus als wirksames Druckmittel gegen "Lissabon"-Blockierer wie Polen und Tschechien. "Wenn diese Länder wirklich den Beitritt Kroatiens wollen, dann sollten sie die Voraussetzungen dafür schaffen und den Lissabon-Vertrag ratifizieren", sagt Brok.
Ausgesprochen gut fallen im Bericht die Noten für den Wackelkandidaten Türkei aus. "Die Türkei hat mittels aktiver Diplomatie eine konstruktive Rolle in seiner Nachbarschaft und im Mittleren Osten gespielt", heißt es anerkennend in dem Report. So habe Ankara nach dem Georgien-Krieg eine Plattform für Stabilität und Zusammenarbeit im Kaukasus angeregt und im Konflikt Israel-Syrien eine wichtige Mittlerrolle eingenommen. Immer dringlicher wird aus Brüsseler Sicht die enge Energie-Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der EU. "Die Türkei hat eine große Bedeutung für die Energiesicherheit der EU", heißt es in dem Rehn-Papier. Um sich von russischen Öl- und Gaslieferungen unabhängiger zu machen, sei die EU auf alternative Versorgungsrouten via Türkei angewiesen.
Sorgenvoll blickt Kommissar Rhen im Fortschrittsbericht auf die übrigen Länder des westlichen Balkans. Beklagt werden vor allem Defizite in der Justizreform sowie im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption. Im Fall von EU-Kandidat Mazedonien beispielsweise prangert Brüssel "gewalttätige Ausschreitungen sowie ernste Unregelmäßigkeiten bei den jüngsten Parlamentswahlen" an. In Albanien wiederum funktionierten die staatlichen Behörden nicht.
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